Wir werden herzlich und warm empfangen von Laura, der Frau des Winzers Stefano Novello. Sie bringt uns von ihrem Weingut in die Weinberge der Ronco Severo. Dunkle Wolken ziehen auf aus den Bergen im Norden. Kalt ist es an jenem Freitag Ende April, als wir Stefano Novello in seinem Weinberg bei Predotto in Friaul-Julisch Venetien treffen. Wir stellen das Auto bei einer Ruine ab, die Novello abreissen will. Hier soll ein Weinkeller auf zwei Etagen unter der Erde entstehen. Während des Zweiten Weltkrieges hatte das Gebäude als Gerichtsort für Widerstandskämpfer gedient.
Teiche für die Biodiversität
Der Winzer führt uns durch einen Teil des Weinberges, in dem er unter anderem Ribolla Gialla und Friulano kultiviert, und zeigt uns Ponco – den braunen Schiefer, dessen Splitter den Boden grösstenteils bedecken. Er erzählt, dass er Drainageröhren hat legen müssen, um die Erde zu trocknen, dass er kleine Teiche anlegen will, um Insekten und andere Tiere anzulocken und so die Biodiversität zu erhöhen. Ein Dachs, Rehe und wilde Geissen sind schon jetzt im Weinberg. Sie lieben es, von seinen Trauben zu naschen, sagt Winzer Novello.
Novello arbeitet biodynamisch, lässt seine Weine spontan vergären – Pinot Grigio, Tocai Friulano, Ribolla Galla und Malvasia ebenso wie Schioppettino, Refosco dal Peduncolo Rosso und Merlot, der als Riserva auf den Markt kommt. Er nimmt keine Interventionen im Weinkeller vor. Wenn der Boden im Weinberg nass ist, verzichtet er auf seinen kleinen Traktor, um die Erde nicht zu verdichten.
Als wir wieder ins Auto steigen, beginnt es zu tröpfeln.
Spontane Vergärung, offene Fässer – und der Mond
Der Winzer stellt seine selbst entworfenen Weingläser auf den Tisch. Wir verkosten im Wohnzimmer von Stefano und Laura.
Die Trauben für die Rot- und Weissweine werden von Hand gelesen, um die Qualität zu sichern. Alle Weine vergären spontan ohne Temperaturkontrolle in offenen Fässern aus slawonischer Eiche. Pinot Grigio und Tocai Friulano bleiben 40 Tage auf der Maische, Ribolla Gialla und die Rotweine 60. Alle Weine werden im August oder September (Ribolla Gialla ausschliesslich im September) bei abnehmendem Mond ohne Filtration auf die Flasche gezogen. Pinot Grigio und Ribolla Gialla kommen als IGT Venezia Giulia auf die Flasche, die anderen Weine als DOC Friuli Colli Orientali.
Ronco Severo produziert die sortenreinen Weissweine Pinot Grigio, Friulano und Ribolla Gialla und die ebenfalls sortenrein abgefüllten Rotweine Schioppettino, Refosco dal Peduncolo Rosso und den Merlot Riserva Artiûl.
Die Maische des Schioppettino wird während der Gärung regelmässig untergestossen. Nach der Pressung erfolgt der Abstich. Der Wein wird in slawonische Eichenfässer umgefüllt, in denen er während 30 Monaten auf der Feinhefe lagert. Auch der Refosco dal Peduncolo Rosso erfährt während der Gärung das Unterstossen des Tresters. Der Refosco reift zwei Jahre in 2000-Liter-Fässern auf der Feinhefe.
Der Merlot Riserva Artiûl – den Novello als seinen «vielleicht besten Wein» bezeichnet – gärt in offenen, kegelförmigen Eichenfässern mit regelmässigem Unterstossen des Tresters. Nach der leichten Pressung wird Artiûl in französische Eichenfässer von 225 Liter umgefüllt (soutirage), in denen er drei Jahre reift.
Alle Weine vergären spontan. Sie bleiben zwischen 40 (Weissweine) und 60 Tage (Ribolla Gialla und die Rotweine) auf der Maische. Novello füllt alle Weine zwischen August und September bei abnehmendem Mond ab.
Pinot Grigio
Jahrgang 2021 – tiefes Goldgelb mit kräftigen roten Reflexen, leichte Trübung; in der Nase intensiv, Birne, reife Zitrusfrüchte, jung, Grapefruit, kräftige Blütennoten; trocken, Fruchtsüsse!, ausgeprägt intensiv, Birne und reife Agrumen, Kräuter, niedrige Tannine, herbal, mittlerer bis voller Körper, elegant, sehr langer Abgang, reife gelbe Früchte, hoher Alkohol, grossartig! Trinken bis 2038; 93 Punkte.
Jahrgang 2016 – klar, tiefes Orange mit wenigen, hellroten Reflexen. Intensiv in der Nase, Apfelkuchen mit Zimt, Karamell, Aprikose, Walnuss und geröstete Haselnüsse; trocken, elegant im Gaumen, niedrige bis mittlere Tannine, etwas Pfeffer, reife weisse Früchte, Kernobst, wieder Aprikose und Walnuss, erinnert von fern an Cognac, mittlerer bis voller Körper, ausgeprägte Geschmacksintensität, Apfelmus, hohe Säure, trockene herbale Noten, sehr langer Abgang. Trinken bis 2033; 93 Punkte.
Der Pinot Grigio reift 23 Monate auf der Feinhefe in gebrauchten Fässern von 2500 Litern.
Ribolla Gialla 2021
Tiefes Goldgelb, in der Nase Gummimasse, Akazienblüten, Rosmarin, intensiv, gelbe Pflaume, dominant herbal, jung, Estragon; im Gaumen mittlerer bis voller Körper, niedrige bis mittlere Tannine, Grapefruit, Reineclaude, Grüntee, ausgeprägt intensiv, gelber Apfel, sehr langer Abgang. Trinken bis 2037; 93 Punkte.
Beim Ribolla Gialla wird der Trester während der Gärung regelmässig untergestossen. Nach der Pressung reift der Wein 11 Monate auf der Feinhefe in 2500-Liter-Fässern. Nach einem Abstich bleibt er für weitere 15 Monate in slawonischer Eiche.
Friulano 2021
Tiefes Goldgelb; dominant Aprikose in der Nase, ausgeprägte Intensität; trocken im Gaumen, intensiv, mittlerer bis voller Körper, niedrige Tannine, elegant, Pfeffer, reife Aprikose, Ananas, hohe Säure, gelbe Früchte, Pfirsich, sehr langer Abgang; trinken bis 2041; 94 Punkte.
Der Friulano 2021 reift 11 Monate in gebrauchten 3000-Liter-Fässern auf der Feinhefe.
Malvasia 2021
Tiefes Goldgelb; ausgeprägte Intensität, Rose, Grapefruit, jung; niedrige Tannine, ausgeprägt intensiv, Grapefruit, reife Agrumen, mittlerer Alkohol, sehr sehr langer Abgang, Grüntee, kräuterwürzig mit kräftigen, medizinal herbalen Noten, Zitrone; trinken bis 2045; 94 Punkte.
Der Malvasia 2021 reift in gebrauchten Fässern auf der Feinhefe.
Der 2021er ist der erste Malvasia, den Stefano Novello auf den Markt bringt. Die Magnumflaschen werden im Herbst bei einem Anlass versteigert. Der gesamte Erlös kommt dem Kinderspital in Udine (I) zugute.
Schioppettino 2021
Mittleres Purpurrot; intensiv in der Nase, Pfeffer, Kirsche, rote Pflaume, rotbeerige Früchte, jung, Kräuterwürzigkeit; niedrige bis mittlere Tannine, im Gaumen, intensiv, mittlerer Körper, elegant und frisch, schwarzer Pfeffer und dessen Schärfe, Kirsche, rote Pflaume, wieder rotbeerig, Kräuter, Johannisbeerblätter. Trinken bis 2038; 92 Punkte.
Der Schioppettino wird nach der Gärung in 2000-Liter-Eichenfässer umgefüllt, in denen er drei Jahre lang auf der Feinhefe lagert.
Artiûl Merlot Riserva 2019
Jahrgang 2019 – mittleres Rubinrot mit purpurroten Reflexen, in der Nase intensiv, rote Pflaume, Tomatenblätter, frisch, elegant, jung. Im Gaumen mittlere Tannine, mittlerer bis voller Körper, intensiv, Gewürze, rote Pflaume, frisch, Kirsche, Zwetschgen, Kräuter, sehr sehr langer Abgang. Trinken bis 2047; 95 Punkte.
Jahrgang 2003 – mittleres rubinrot, trüb ausgeprägte Intensität, Feuerstein, Teer, Zigarrenkiste. Sehr sehr langer Abgang, mittlere bis hohe Tannine, Schwarztee, Bitterschokolade, Zeder, ausgeprägte Intensität, mittlerer bis voller Körper, animalische Noten, wieder Teer und Feuerstein, Fruchtsüsse, weisse Pfeffernoten.
Trinken bis 2029, 95 Punkte.
Der Trester des Artiûl Merlot Riserva wird regelmässig untergestossen. Der Artiûl Riserva reift drei Jahre in französischen Barriques, 80 Prozent davon neu.